Wer als Produktmanager*in die Verantwortung für ein Produkt trägt, weiß wie knapp die Zeit werden kann. Das Team, das interne und externe Unternehmensumfeld, die Bewertung wöchentlich neuer Opportunitäten und Risiken, die Entwicklung von Strategien und Taktiken und die täglich operativen Ereignissen brauchen alle Aufmerksamkeit. Werden Produkte und Teams größer, stellt sich die Frage, wie die Rolle von Aufgaben entlastet oder aufgeteilt werden kann. Dabei gibt es gute und weniger gute Alternativen, die gravierende Folgen haben können.
Keine Trennung von Verantwortlichkeiten innerhalb der Rolle
Um gute Entscheidungen zu treffen, brauchen Produktmanager*innen den Zugang zu wichtigen Wissensquellen und das Mandat, direkt in Entscheidungsprozessen eingreifen zu dürfen. Dazu gehören:
- Zugang zu Kunden, Partnern und Dienstleistern zur Evaluierung jeglicher Problemstellungen sowie Validierung von Lösungen.
- Direkte Abstimmung mit wichtigen Business-Stakeholdern aus dem Sales-, Marketing-, Support-, Controlling-, Rechts- und anderen internen Bereichen zur Evaluierung von Lösungen und Rahmenbedingungen.
- Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsteam – inklusive aller Mitarbeiter die zuarbeiten – zur Evaluierung möglicher Lösungsansätze und für notwendige Entscheidungen in der weiteren Entwicklung der Produkte.
Einige Erkenntnisse, Ideen und Lösungen können nur dann Zustandekommen, wenn alle drei Bereiche zusammenhängend betrachtet werden. Teilt man die Rolle im Produktmanagement in zwei Verantwortungsbereiche, trennt man dadurch automatisch den Zugang zu Wissen und Interaktion mit wesentlichen Akteuren.
Eine gängige Aufteilung besteht zum Beispiel darin, einen Product Owner mit einem Team Lösungen erarbeiten zu lassen, während ein Business (Product-)Manager die Strategie und Marktanforderungen bestimmt. Wenn zwischen beiden Rollen keine herausragende Symbiose besteht, verlieren beide Seiten einen Teil des Gesamtkontext. Das Team ist vom Markt und vielen Stakeholdern entkoppelt, der Business-Manager von Ideen, Problemen und technischen Innovationen aus dem Teambereich.
Welche Möglichkeiten gibt es stattdessen?
Trennung von Produkten oder Domänen
Eine Möglichkeit besteht darin, Produkte zu teilen. Die Verantwortlichkeit der Rolle bleibt damit gleich, aber durch die Teilung schrumpft der Aufgabenbereich, die Teamgröße und die Anzahl der Stakeholder. Damit sinkt die Anzahl notwendiger Entscheidungen und Interaktionen, was konkret weniger Aufwand bedeutet. Idealerweise ergibt sich die Möglichkeit, eine logischen Teilung von Business-Entitäten, z.B. nach Zielgruppen, Produkten oder Kombinationen aus beiden, durchzuführen. Bei einem Marktplatz-Produkt könnte das z.B. zuerst die Teilung nach Angebot und Nachfrage sein und zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere Aufteilung nach Produkten (Shop und Backend-System).
Die zweite Alternative – vor allem bei großen Produkten – besteht darin, Produkte weiter in Business-Domänen zu teilen, die möglichst unabhängig voneinander eigene Aufgaben übernehmen und eigene Ziele verfolgen können. Das könnten z.B. Service-Komponenten aller Art sein, die durch eigene Produktmanager*innen verantwortet werden.
Werden im Nachgang solcher Trennungen die vermutlich noch bestehenden technischen und organisatorischen Abhängigkeiten reduziert, sinkt trotz der verbleibenden Notwendigkeit von Abstimmungen die Aufgabenlast der einzelnen Verantwortlichen deutlich.
In dem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass durch die Teilung die Notwendigkeit bestehen könnte, übergeordnet neue Rollen entstehen zu lassen. Insbesondere wenn die Komplexität der Abstimmung unter den Teams oder die Leitungsspanne der Führungskräfte zu groß wird, ist ein solcher Schritt ratsam.
Delegation von Aufgaben
Je nach Rollenbeschreibung gibt es im Produktmanagement Aufgaben, die delegiert werden können, da sie nicht den Kern der Rolle direkt beeinflussen:
- Projektmanagement & Rollout-Aktivitäten können bei hohem Arbeitsaufwand von einer eigenen Rolle übernommen werden. Hierfür gibt es verschiedene Spielarten, je nach dem, ob es sich um ein übergeordnet komplexes Vorhaben über alle Teams (z.B. temporär bei einem Relaunch), um eine komplexe Organisation (z.B. bei Markteinführungen in vielen Landesgesellschaften) oder um ein komplexes Zusammenspiel der Teams (z.B. als PMO Stelle bei der Koordination diverser Vorhaben auf übergeordneter Ebene) handelt.
- Die Schaffung einer Produktmarketingrolle kann die Produktorganisation an der Schnittstelle zum Marketing entlasten. Dokumentation, Kommunikation und alle notwendigen Aufgaben, um im Marketing die Akquisitions- Preis- und Absatzstrategien aus Produktsicht zu unterstützen.
- Die UX Rolle kann mehr Aufgaben übernehmen, als die Kernrolle – Interaktions- und Grafikdesign – dies oft in Unternehmen vorsieht. Dazu gehören je nach Befähigung z.B. die aufwändige Vorbereitung von Kundeninterviews oder Kundentests, das Copywriting oder auch Wettbewerberanalysen.
- Entwickler können für Entlastung sorgen, in dem sie dafür sorgen, dass es eine sehr gute Testabdeckung gibt, die im Produktmanagement keinen Testaufwand entstehen lässt und wenig operativen Support verursacht. Entwickler können außerdem technische Anforderungen und Konzepte in Abstimmung mit dem Produktmanagement eigenständig ausarbeiten.
- Agile Coaches und die Teamleitung können mit einer guten Teambesetzung dafür sorgen, dass das für die Aufgaben notwendige Knowhow vorhanden ist und nicht kompensiert werden muss. Effiziente Werkzeuge und Tools helfen dem Team, Zeit einzusparen.
- Teamassistent*innen oder ähnliche Rollen können für organisatorische Entlastung sorgen, insofern Produktmanager*innen oder Agile Coaches ihre Unterstützung in Anspruch nehmen dürfen.
Diese Entlastungsmaßnahmen sollen dafür sorgen, das neben allen operativen und termingebundenen Aufgaben genug Zeit für den Kern der Tätigkeit bleibt: wichtige Probleme der Kunden identifizieren, gute Strategien für das Unternehmen entwickeln und gute Produktentscheidung treffen.