Warum Menschen keine Katzen essen aber Kryptowährung kaufen. Intersubjektivität und die Macht von Storytelling

Aufgrund der Anforderungen arbeiten im Produktmanagement überwiegend stark rationale Persönlichkeiten. Irrationales Verhalten zu verstehen und sie in unserer Arbeit zu berücksichtigen, fällt uns eher schwer. Doch warum gibt es überhaupt so viel irrationales Verhalten und was hat das mit Intersubjektivität zu tun?

Verdeutlichen lässt sich der Begriff Intersubjektivität am Beispiel Essen. Objektiv gesehen können wir Katzen und Hunde essen, tun es aber in den meisten Teilen der Welt nicht. In Indien mag man kein Rind essen und Moslems mögen kein Schwein. Veganer mögen generell keine Tiere essen. Ohne jemand näher treten zu wollen, kann man behaupten, der Verzehr all dieser Tiere ist grundlegend kein Problem für Menschen. Und dennoch stellen wir bestimmte Dinge nicht in Frage. Genaugenommen wird ein großer Teil unserer Handlungen im Alltag durch solche gemeinsame Narrative gesteuert. Sie haben Einfluss darauf, woran wir in den jeweiligen Gemeinschaften gemeinsam glauben.

Intersubjektivität ist weder individuelles empfinden (Geschmack), noch objektive Tatsache (Mathematik oder Physik). Sie ist der Kitt, der Gesellschaften, Kulturen, Nationen und kleinere Gemeinschaften zusammenhält, Identität stiftet und eine Basis für gemeinsame Kooperation bildet. Sie befähigt Menschen, komplexe Organisationen und Sachverhalte aufzubauen, die Grundlage für weiteres Wachstum sind. Beispielsweise die Finanzwirtschaft. Ohne ein gemeinsames Narrativ wie „der Euro ist ein vertrauenswürdiges und gültiges Zahlungsmittel“ würde wenig in der Finanzwirtschaft funktionieren. Dabei ist der Euro deswegen vertrauenswürdig, weil Institutionen sowie die große Mehrheit der Bevölkerung dieses Narrativ annehmen.

Ein Blick nach Venezuela zeigt, dass diese Narrative mit der Zeit veränderbar sind. Wenn die verantwortlichen Institutionen die Geldmenge und damit die Inflation zu stark treiben, verliert die Bevölkerung das Vertrauen in die Währung und wird versuchen, eine Ersatzwährung zu nutzen. An anderen Stellen reicht der reine Glaube, der durch eine Geschichte rund um das Narrativ erwächst. Ein Beispiel dafür sind Kryptowährungen, die es vor einigen Jahren nicht gab, an deren Wert aber heute eine kritische Masse an Menschen glaubt. Nicht notwendigerweise aus objektiv guten Gründen.

Der Einfluss von Intersubjektivität auf die Gesellschaft und damit auf Kollegen, Kunden und Nutzer ist daher umfassend und relevant. Der fehlende Bezug zu objektiven Tatsachen kann Intersubjektivität nichts anhaben und erklärt dadurch die irrationalen Verhaltensweisen von Menschen. Denn insbesondere bei technisch oder fachlich komplexen Zusammenhängen helfen Narrative den Menschen, nicht über jedes einzelne Problem nachzudenken und viel Energie beim Treffen von Entscheidungen einzusparen. Diese Entscheidungen müssen nicht gut oder rational sein. Es reicht, wenn sie das Gefühl haben, dass es so ist. Diese Wissen kann genutzt werden, um unsere Arbeit im Produktmanagement zu erleichtern.

Der Versuch alle Narrative zu berücksichtigen ist zu aufwendig

Je verbreiteter das eigene Produkt in diversen Märkten und Zielgruppen ist und nicht eine Nische bedient, desto breiter das Spektrum an Narrativen, in denen es operiert. Diese Komplexität zu durchdringen ist zu aufwändig. Es können aber Strategien genutzt werden, um die Komplexität zu beherrschen:

  • Im Branchenkontext mit Einsatz von Spezialisten, die Märkte und Kundengruppen gut kennen.
  • Im interkulturellen Kontext mit lokalen Mitarbeitern der jeweiligen Region, um Lokalisierung, Vermarktung und den Support zu unterstützen.
  • Im Entwicklungskontext mit einem multikulturellen und diversem Team, welches im vorhinein Herausforderungen identifizieren kann.
  • Im Allgemeinen die Nutzung von Heuristik und die Untersuchung unerwarteter Verhaltensabweichungen.

Die Schaffung von Narrativen für das eigene Produkt

An der Grenze zwischen Marketing und Produkt kann für das eigene Produkt ein Narrativ geschaffen werden, mit denen sich Kunden und Nutzer identifizieren können und wollen. Dort wo dies durch langfristige Kommunikation, Repräsentation im Produkt und im Service gelingt, entsteht eine neue Intersubjektivität, die einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil darstellen kann. Gute Beispiele dafür sind Nutella, Kryptowährungen oder die Lieferqualität von Amazon.

Fokus auf Vision und Strategien unterstützen

Wer von seiner Vision und Strategie überzeugt ist, kann die Form der erzählerischen Darstellung wählen, um ein vorteilhaften Bedeutungszusammenhang für den beschrittenen Weg zur Vision zu erschaffen. Erkenntnisse werden nicht durch langwierige Ableitung von Fakten erläutert, sondern in einer spannenden Geschichte mit Happy End (Vision) nachvollziehbar und identifikationsstiftend verpackt. Sowohl rationale als auch emotionale Mitarbeiter und Kollegen können damit begeistert werden, ohne die Details kennen zu müssen. Es reicht, wenn sie daran glauben, dass das Narrativ richtig ist und sie als geeignete Grundlage für die weitere Kooperation dienen kann.

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