Mythen hinterfragt – Teil 3: Macht Produktmanagement in Teilzeit keinen Sinn?

Produktmanagement-Stellen in Teilzeit werden selten angeboten und einige Führungskräfte sind skeptisch, dass dies aufgrund der Aufgabenlast überhaupt Sinn ergibt. Zeit für eine genauere Betrachtung.

Auf der einen Seite wissen alle PMs, dass auch eine 40-Stunden-Woche kaum reicht. Mehr Kunden-, Markt-, Wettbewerbs- und Trendanalysen, mehr Deep-Dives, eine bessere Vorbereitung auf Entscheider-Gespräche und vieles mehr würden zu besseren Arbeitsergebnissen führen. Auch eine hohe Verfügbarkeit während der Geschäftszeiten für dringende Anfragen bleibt relevant. Wie kann Teilzeit in einem solchen Umfeld Sinn ergeben?

Auf der anderen Seite sorgt der Wettbewerb um Talente und der Ruf nach gerechten und flexiblen Arbeitsmodellen dafür, dass wir uns es nicht mehr leisten können, gute Mitarbeiter*innen nicht einsetzen zu können, weil sie keinen Vollzeitvertrag erfüllen können oder wollen. 

Was können wir tun, um Teilzeitstellen zu ermöglichen?

Lösungen, die Gefahren bergen

Einige klassische Ideen, um Teilzeit zu ermöglichen, bergen im Produktmanagement Gefahren: 

  • Der Versuch, die Effizienz weiter zu steigern: Wichtige Aufgaben zuerst erledigen, das Team befähigen, Entscheidungen möglichst selbständig zu treffen und zu vielen Einladungen und Anfragen „nein“ zu sagen sollte bei effektiven Mitarbeiter*innen schon im Vollzeitjob eine Voraussetzung sein und eher die 60-Stunden-Woche verhindern. Im Teilzeitjob führt der Versuch einer weiteren Steigerung schnell zu ausgelassenen Pausen, fehlenden sozialen Interaktionen oder Überlastung, vor allem, wenn in der „zweiten Schicht“ noch Kleinkinder oder andere Verpflichtungen warten. Oder es führt zu einer geringeren Qualität der Arbeitsergebnisse, da das frühere Pensum trotz Versuch nicht mehr geschafft wird.
  • Die Rolle in zwei unterschiedliche Rollen teilen: Wie im Beitrag über Reduktion der Arbeitsbelastung dargelegt, führt die Teilung der Verantwortung vermutlich zu schlechteren Entscheidungen, da zusammengehörende Kontexte auseinandergerissen und getrennt bearbeitet werden. Die Qualität der Arbeit und Entscheidungen leidet.
  • Eine Rolle mit zwei Verantwortlichen besetzen, die sich die Stelle teilen: Bei manchen Rollen mag das funktionieren, aber  das Produktmanagement hat viel mit Kontext, Kommunikation und Kreativität zu tun. Die Übergabe der dafür notwendigen Informationen würde bei beiden Beteiligten zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Ebenso ist es schwierig, zwei Personen zu finden, die symbiotisch auf einer Wellenlänge zusammenarbeiten. Sie müssten in der Lage sein, Ideen und Entscheidungen der jeweils anderen Person sofort zu verinnerlichen und gegenüber anderen vertreten zu können.

Von solchen Modellen wäre also eher abzuraten. 

Lösungen, die funktionieren können

Einige verbleibende Optionen haben jedoch das Potential, die Produktmanagement-Rolle im richtigen Umfeld in Teilzeit zu ermöglichen: 

  • Eine Aufgabe mit geringerer Verantwortung übernehmen: Diese Option ist für erfahrene Produktmanager*innen eine Option, die so ein weniger komplexes Produkt mit kleinerem Team und weniger Stakeholder in Teilzeit führen könnten. Alternativ kann auch ein komplexes Produkt in zwei voneinander trennbaren Produkten geteilt werden, die mit zwei Teilzeit-PMs geführt werden. Rollen, die sonst Mitarbeiter*innen mit weniger Erfahrung in Vollzeit übernehmen, können so durch „Teilzeit-Profis“ besetzt werden.
  • Entlastung von Aufgaben, die nicht Kern der Rolle sind: Wie im Beitrag über Reduktion der Arbeitsbelastung ausgeführt, können unter Umständen Projektmanagement-, Produktmarketing-, Recherche-, organisatorische und andere Aufgaben durch geeignete Mitarbeiter übernommen werden, ohne die Qualität von Produktentscheidungen signifikant zu gefährden. 
  • Ist Home-Office eine Option, kann zusätzlich die Arbeit so verteilt werden, dass Präsenztermine minimiert oder gar komplett gestrichen werden. Die Anfahrt zum Büro, die gern 5 Stunden pro Woche kostet, kann so in die Teilzeit investiert werden. Auch sind flexiblere Zeitmodelle denkbar, die bei Präsenz keinen Sinn machen, z.B. frühe, späte oder kurze Arbeitszeiten an bestimmten Tagen. Durch eine solche Flexibilität kann die Abwesenheit ganzer Tage vermieden und in eine Stundenreduktion pro Tag umgewandelt werden. Das kommt der gewohnten täglichen Interaktion mit Teams und Stakeholdern entgegen. 

Trotz dieser Ideen bleiben Halbzeitstellen im Produktmanagement eine Herausforderung. Im Bereich von 25 oder besser noch 30- bis 35-Stunden Stellen sollten sich jedoch Modelle realisieren lassen, insbesondere bei Mitarbeiter*innen, die durch ihre Erfahrung bereits effektiv und effizient arbeiten können. Juniorige Mitarbeiter*innen, die viel Coaching benötigen, sind für solche Teilzeitstellen allerdings weniger prädestiniert. 


Dies ist ein Beitrag aus der Serie Mythen hinterfragt.


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