Wie entkommen Produkte der Optimierungs-Falle?

In funktionierenden Produkten mit hohem Reifegrad verbringen Produktteams oft zu viel Zeit damit, inkrementelle Verbesserungen zu entwickeln, Fehler zu beheben und diverse kleinen Stellschrauben zu optimieren. Diese Veränderungen schaffen in der Regel keinen neuen Wert, sondern tragen nur dazu bei, den Wert zu erhalten. Bleibt es bei diesem Vorgehen, öffnet sich ein Raum für neue Wettbewerber bis hin zur kompletten Disruption, die selten vom eigenen Unternehmen ausgehen (auch bekannt als das Innovations-Dilemma). Wie kann man dieser Falle entgehen?

Analyse des Status Quo

Die einfachste Methode zur Feststellung, ob man in der Optimierungsfalle sitzt ist, den Lebenszyklus der Produkte einzustufen, an denen Produkt-Teams arbeiten. Wenn weniger als ein Viertel der Teams an neuen Produkten, Erneuerung bestehender Produkte oder an solchen mit großem Wachstumspotential arbeiten, befindet man sich vermutlich bereits in der Optimierungsfalle. 

Herausforderung 1: Strategiemangel

Als natürliche Ausweichoption wird der Optimierungsfokus aus Mangel einer alternativ vielversprechenderen Strategie gewählt. An ihrer Stelle treten Opportunitäten und kleine iterative Verbesserungen. Gäbe es eine Strategie, die in der Lage wäre, Maßstäbe neu zu setzen, so würden iterative Verbesserungen im Vergleich dazu nur wenig Priorität bekommen. Auch Opportunitäten werden dann weiser gewählt und nach ihrem strategischen Wert beurteilt.

Herausforderung 2: Lokale Optimierung

Teams denken aufgrund ihres Knowhows und aus pragmatischen Umsetzungsgründen gern innerhalb Ihres Verantwortungsbereichs. Potentiale liegen aber selten nur innerhalb der Grenzen der Verantwortlichkeiten einzelner Teams. Beschäftigen sich Teams mit Inhalten in einem beschränkten Lösungsraum, so werden auch die Potentiale beschränkt bleiben. Ein übergeordneter Fokus aller Teams auf wenige Themen zur gleichen Zeit kann daher sowohl die Zusammenarbeit als auch den notwendigen Fokus auf die wesentlichen Stellschrauben ermöglichen. Dies setzt voraus, das die Führung in der Lage ist, die Anzahl an Themen so weit zu reduzieren, das ein solches Vorgehen möglich wird.

Herausforderung 3: Prozesse & Methoden

Agile Methoden haben bei allen Vorteilen auch dazu geführt, dass ein gewisser Druck entsteht, in kurzen Zyklen „werthaltige“ Inkremente in Produktion zu liefern. Für Produkte im Innovationszyklus oder in der Erneuerung ist das allerdings schwer. Daher werden gern kleine, inkrementelle und konkret nachgefragte Optimierungen entwickelt, um interne Stakeholder zufriedenzustellen. Komplexe Analysen, aufwändige Prototypen und größere Umstrukturierungsmaßnahmen mit Potential werden dafür gemieden, wenn keine für Kunden spürbare Veränderung geliefert werden kann. Da dieses Vorgehen auf Dauer in eine Sackgasse führt, sollte ein Vorgehen gewählt werden, in dem die Arbeit an Optimierungen und die Arbeit an großen Vorhaben in einem gesunden Verhältnis zum Produktlebenszyklus steht.

Herausforderung 4: Die bestehende Organisation 

Mit erfolgreichen Produkten entstehen größer werdende Aufbauorganisationen, die wiederum der Logik dieser Produkte unterliegen. Knowhow, Strukturen und Prozesse sind dafür optimiert, dieses Produkt weiter zu entwickeln. Es ist nicht wahrscheinlich, dass ausgerechnet diese Organisation sich selbständig von innen erneuert. Insbesondere disruptive Innovationen sollten daher auch organisatorisch eine eigene Heimat bekommen. Diese sollte Mitarbeiter*innen, Strukturen und Prozesse besitzen, die der neuen Zielsetzung gerecht werden. Gleichzeitig braucht es ein Testfeld inklusive einer Zielgruppe, in dem zukünftige Innovationen gewollt und ohne Angst vor der eigenen Disruption von der Führung möglich gemacht wird.

Bleiben diese Schritte aus, besteht bei finanziell starken Unternehmen noch die Möglichkeit der Erneuerung durch Akquisition – mit Ihren spezifischen Vor- und Nachteilen. 


Dieser Beitrag gehört zur Serie Potentiale im Produktmanagement ausschöpfen.


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